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Ute Bales

Autorin im Rhein-Mosel-Verlag

Laudatio von Heribert Ries anlässlich der Buchvorstellung

 

„Unter dem großen Himmel“ von Ute Bales

Liebe Frau Bales, liebe Familie Bales, meine sehr verehrten Damen und Herren, an einem für das bewegte Leben des Pitt Kreuzberg bedeutungsvollen Ort darf auch ich Sie – hier in Daun – sehr herzlich begrüßen und Ihnen für die gemeinsamen nächsten Stunden einen eindrucksvollen, angenehmen Aufenthalt wünschen.
Die schicksalsträchtigen Ereignisse rund um den bedeutenden Eifelort Daun rechtfertigen, dass Sie, liebe Frau Bales, den druckfrischen Roman „Unter dem großen Himmel“ zunächst hier vorstellen und uns einige aussagekräftige Buchstellen anbieten. Ich bin überzeugt, dass viele hier anwesende Damen und Herren einen fundierten Einblick in das Leben und das Werk des Künstlers haben, dem – wie er es einmal allgemein beklagte – zu Lebzeiten keine offizielle Ehrung zuteil wurde.


Vor 2 Jahren war es mir vergönnt, in Niederkail die Laudatio auf Sie, liebe Frau Bales, und den damals gerade erschienenen Roman „Peter Zirbes“ zu sprechen, einen Roman, dem im letzten Jahr der Sonderpreis der Jury des Literaturwerks Rheinland-Pfalz-Saar zugesprochen wurde. Nachdem ich mich Anfang dieses Jahres in den neuen Roman „Unter dem großen Himmel“ eingelesen – ja eingelebt hatte – mich mit dem Leben, dem Charakter und dem Werk des Künstlers Pitt Kreuzberg vertraut gemacht hatte, mich mit ihm und seiner Familie freute, mit ihm bangte, mit ihm, Trudel, Claus und Theodora litt, äußerte ich spontan den Wunsch, auch heute Ihr Werk, liebe Frau Bales, aus meiner Warte und nach meinen Eindrücken besprechen zu dürfen.
Eingedenk ist mir während des Entstehens des Buches Ihre Mail, in der Sie skeptisch äußerten, mit dem Wesen „Pitt Kreuzbergs“, gewissen Ansichten , Äußerungen und Verhaltensweisen Probleme zu haben. Diesem Urteil schloss ich mich bedingungslos an, als ich die vielen harten Gespräche „Pitts“ mit Trudel, Claus und Theodora auf ihren Inhalt, die Aussagekraft analysierte, aber auch sein liebenswürdiges Verhalten den Familienmitgliedern und engen Freunden gegenüber las.


Der etwa 500 Seiten umfassende Roman spiegelt chronologisch von der Geburt bis kurz vor dem Tod seinen künstlerischen Werdegang von der Düsseldorfer Kunstakademie über Einflüsse von zahlreichen antiken und zeitgenössigen Malerkollegen hin zum Autodidakten in bedeutenden Werken, seinen Lebensstationen, seinen gesellschaftspolitischen Ansichten und mehr oder weniger nachvollziehbaren Entscheidungen wider.
Gefühlvoll, treffend wurde von Ihnen, Frau Bales, der Titel des Buches „Unter dem großen Himmel“ gewählt. Verstanden und unterstützt wird er hauptsächlich von den Leserinnen und Lesern, die das Doppelmaar in ruhigen Zeiten in seiner Großzügigkeit, Weiträumigkeit, der Naturbelassenheit an vielen Stellen schätzen gelernt haben, die – wie Sie und Pitt – erstaunt beobachteten, wie die vom Wasser ansteigenden Höhen im unbegrenzten Himmel verschmelzen.
Besonders anerkennend finde ich die Logik, mit der dieser Roman konsequent und glaubwürdig die unterschiedlichen Charaktere und Volksmeinungen einer Zeit wiedergibt, die sich extrem von heutiger Weltanschauung unterscheidet. Bewundernswert haben Sie, liebe Frau Bales, über den „Einzelgänger“ Pitt Kreuzberg recherchiert, so dass sich nach und nach im chronologischen Ablauf seines Lebens vorhersehbare, logische Zusammenhänge ergaben. Der Einstieg in den Roman ist sehr geschickt gewählt, in dem der schwerkranke Pitt – kurz bevor er von Tochter Theodora nach Bad Honnef gebracht wurde, wo er kurz danach starb – Abschied von dem geliebten Maar nahm, das für ihn Heimat und seelisches Wohlbefinden bedeutete. Es fällt auf, wie treffend Sie, Frau Bales, die urwüchsigen, reizvollen, rauen, unverwechselbaren Eifellandschaften zu allen 4 Jahreszeiten beschreiben. Es kommt Ihnen dabei zugute, dass Sie selbst in der Eifel geboren sind, da zur Schule gingen, viele Jahre hier verbrachten, einen starken  emotionalen Bezug zu Ihrer Heimat entwickelt haben und immer wieder den Weg zu Ihren Wurzeln finden. Die Landschaftsbeschreibungen sind Ihnen – das darf ich behaupten – im Sinne „Pitts“ gelungen, indem Sie uns eloquent und tiefgründig das so Charakteristische dieser Region in Worte fassen, während vor Ihrer Zeit Pitt in eben solchem tiefgehenden Erleben der vertrauten Landschaft  Pinsel oder Stift führte. 


Im Roman begegnet uns ein wahres Feuerwerk an bildhaften Ausdrücken, die absolute Reinheit der deutschen  Sprache, die fast ohne die gängigen Fremdwörter auskommt, die unseren Alltag beherrschen. Wie im Roman „Peter Zirbes“ erfahren wir immer wieder Lautmalerei, die gleichermaßen unsere 5 Sinne anspricht, hauptsächlich bei den zahlreichen  Motivbeschreibungen ein gekonnt wortschöpferisches Agieren.
Erlauben Sie mir bitte ein Beispiel, das die besondere Beobachtungsgabe des Pitt Kreuzberg mit der dazu gehörenden Textstelle verschmelzen lässt. Die Studie des Boskopapfels ließ ihn die Individualität jedes Gegenstandes erkennen. Ich zitiere eine Textstelle des Buches:
„Es war ein Boskop, eine große, runde Frucht von grüner Grundfarbe mit einem sonnenseits verwaschenen Karminrot und einer Schale, die von der langen Lagerung schon ein wenig schrumpelig geworden war. Pitt betrachtete jede Pore, jede Farbnuance, jede Narbe auf der Schale. Er spürte, dass sein Blick starr wurde, fixierte und starrte weiter, bis die Fensterbank, das Fenster und der Hof mit Hühnern und Hühnerstall verschwammen und nur noch der Apfel in seinem Blickfeld lag. Er sah, wie Licht und Schatten die Frucht in ein immer neues Licht tauchten und von Minute zu Minute anders erscheinen ließen. Als das Mittagslicht darüber ging, glaubte er, die Frucht bewege sich. Hinter den Schein wollte er gelangen und während er dasaß, stellte er fest, dass seine Augen mit allem Möglichen behaftet waren, was er jemals über einen Apfel gelernt und erfahren hatte. „Anschauen, immer nur anschauen... bis sich eine Seite offenbart, die noch niemals jemand gesehen hat, weit hinter den Äußerlichkeiten, bis dieser Apfel hier keinem anderen Apfel mehr gleicht...“
An allen Umzügen, Bilderverkäufen, Krankheiten sowie Notzeiten werden wir emotional beteiligt: Wir bangen um Pitt im 1. Weltkrieg, um Sohn Claus im 2., wir empfinden viel Sympathie und Mitgefühl für Trudel, die in entscheidenden Lebensphasen tapfer die Familie am Leben hielt.
Eine ganz besondere Bedeutung kommt in all Ihren Romanen – so auch hier – liebe Frau Bales, der äußerst geschickt gewählten „Wörtlichen Rede“ in zahlreichen Zwiegesprächen zu. Sie steht in einem Schein- oder Pseudodialekt und wird von allen, die der deutschen Sprache mächtig sind, verstanden. Sie verleiht der Unterhaltung einen Echtheitscharakter und ist gekonnt von den Romangestalten abgesetzt, die von der Bildung her oder von Amts wegen hochdeutsch sprachen. Dank Ihres fleißigen Recherchierens vermitteln Sie dem Leser in geschichtlicher, geographischer, biologischer kunstgeschichtlicher und künstlerischer Hinsicht ein großes Allgemeinwissen und den Nährboden, die sozialpolitischen Wirren, die Zustände an Kunstakademien, die unsinnigen, menschenverachtenden Exzesse einer fanatischen Politik bis zu den verheerenden Folgen zweier Weltkriege besser zu verstehen. Liebevoll und realistisch werden von Ihnen Beobachtungen eines wachen Auges, Geräusche und Gerüche der Natur, Naturereignisse und Jahreszeiten beschrieben und dabei großartig in eine sympathische, reiche Sprache umgesetzt. Überzeugen können Sie sich – meine verehrten Damen und Herren – in den nachfolgenden Leseproben der Romanschreiberin.
Pitt Kreuzberg hatte eine eigene gesellschaftskritische Denkweise. Seine Eindrücke und Gefühle brachte er ausdrucksstark auf die Leinwand, wobei er Landschaften bewusst und beabsichtigt nicht schön und idealisiert zeichnete und malte. Jedem Gegenstand sprach er eine gewisse Individualität zu. In der Geisteshaltung stand er der Lehre von Rudolf Steiner – der Anthroposophie und Theosophie – sehr nahe. Er, der widerspenstige, gradlinige und gefühlvolle Künstler, würde zu Ihrem gelungenen Gesellschaftsroman, liebe Frau Bales, seine uneingeschränkte Zustimmung geben. Dass er zu Lebzeiten im Dorf Schalkenmehren kaum Anerkennung fand, von vielen Dorfbewohnern Dorfkauz, Drückeberger ja sogar Faulenzer tituliert und von der Dorfjugend mit Lehmklumpen beworfen wurde, entsprach überall auf dem Lande der Vorstellung: Nur körperliche Arbeit zählt, Studierte halten sich für etwas Besseres und Malerei als Lebensunterhalt ist nutzloser Müßiggang. Da die Bürger Schalkenmehrens nur mit extrem harter Arbeit ein Existenzminimum erreichen konnten und besonderen Begabungen einzelner keine Bedeutung beimaßen, war diese überall übliche Meinung der Landbevölkerung allzu verständlich. Erlaubt sei allerdings eine laute Kritik an dem Herdengebaren gewisser Bevölkerungsschichten in allen Regionen – wie es leider heute noch zu beobachten ist – und eine Mahnung zu mehr Toleranz unter den Menschen. Wie im Roman „Peter Zirbes“ so darf auch hier das indiskutable Verhalten der Geistlichkeit nicht ausgenommen werden. Theodora wurde in einer Sonntagspredigt öffentlich gerügt, weil ihr Vater nicht zum sonntäglichen Gottesdienst erschien. Pitt formulierte seine Meinung dem Pfarrer gegenüber in einem zornigen Auftritt so: „Christus ging es nicht um die Religion, es ging ihm um den Menschen. Ich finde mein Heil in den Kreaturen der Schöpfung. “


Ich komme zum Schluss:
Pitt Kreuzberg, von 1913 bis 1930 mit seiner wachsenden Familie im Tanzsaal des Gasthauses Schneider , danach im eigenen Haus bis kurz vor seinem Tod in Schalkenmehren wohnend, mit Trudel bis zu deren Tod in vielen Zeiten der Not und der Entbehrung verheiratet, Vater des 1912 geborenen Sohnes Claus und der 1919 geborenen Tochter Theodora, als Autodidakt Maler und Zeichner von etwa 2200 Bildern, zeigte vor der Schöpfung Gottes große Ehrfurcht, was sich in zahlreichen Gemälden niederschlug, lebte immer wieder in Zukunftsängsten, die bis zur Depression reichten. Es muss ihm anerkennend zugesprochen werden, dass er das Bewusstsein für die Kunst gestärkt und den Blick für die Werte unserer Heimat geweitet hat. Er hat uns als Könner außerordentlich fleißig eine unvorstellbare Fülle an Kunstwerken hinterlassen.
Diese unvollständige Raffung seines Lebens, seines Werkes und seiner Verdienste haben Sie, liebe Frau Bales, in einem umfassenden Roman bis ins kleinste Detail ausgeführt und dabei Pitt Kreuzberg – wie er es verdient – einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Meine Aufgabe war es hier und heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie für diesen gelungenen Roman „Unter dem großen Himmel“ zu sensibilisieren.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Heribert Ries, Sehlem