Rezension von Monika Böss über »Kamillenblumen«
»Kamillenblumen« ist nach »Der Boden dunkel» der zweite Roman der 1961 in Borler/Eifel geborenen und in Gerolstein aufgewachsenen Autorin, die nach dem Studium der Germanistik, Politikwissenschaften und Kunst heute in Freiburg/Breisgau lebt.
Dem Roman liegt die Lebensgeschichte der Hausiererin Gertrud Feiler zugrunde, die am Ende ihrer langen Wanderungen durch die Eifel 1964 in der Psychiatrischen Klinik von Andernach starb. Beinahe achtzig Jahre alt wurde die Frau, die aus einer Bauernfamilie stammend durch unglückliche Umstände schon als Kind auf der Landstraße lebte (zusammen mit der Mutter).
Das Hausierergewerbe war lange Zeit sozio-ökonomischer Bestandteil im ländlichen Raum. Traud allerdings bewegt sich mehr am Rande der Landstreicherei. Heimatlos und ohne soziale Bindungen zieht sie durch die Dörfer der Eifel. Das ‚Lumpenweib‘ wird zum Freiwild, Ausgestoßene sind diese Männer auch – bis auf Paul, aber das ist eine andere, eine ganze andere Geschichte.
In eindringlichen Bilderfolgen erzählt Ute Bales von einem Leben auf der Landstraße, von Ausbeutung und Verachtung, von der Ruhelosigkeit eines Menschen, der ausgestoßen neben Ablehnung auch der großen Liebe begegnet.
Ein historischer Roman, bitter-süß. Wie eine herrenlose Katze, armselig und doch stark, zieht Traud durch die Eifeldörfer. Mitleid begegnet ihr kaum auf den langen Wanderungen. Sie kennt die Feldscheunen, die verlassenen Mühlen. Ein Lebenskampf nicht im Einklang mit der Natur. Ein Portrait von großer Humanität und Empathie für einen Menschen, der das Elend schulterte und sich ihm nach langem Umgang ergibt, krank an Leib und Seele.
Eine Szene: ‚Nach Tagen des Herumirrens hatte sie in Müllenbach eine Bleibe gefunden. Im Dorf wurde die Straße erneuert und mit einem Kopfsteinpflaster belegt. Eine riesige Dampfwalze bewegte sich über die Steine, fuhr hin und her und ebnete den grauen Basalt. Die Männer des Dorfes hatten sich zum Helfen eingefunden, schippten mit Hacken und Schaufeln die Erde beiseite. Für Traud gab es deshalb auf den Höfen genügend Arbeit…‘ S. 100
Vollkommen hat Ute Bales in ihrem Roman auf eine soziale Anklage verzichtet. Sie zeigt ein exemplarisches Leben, das sich solitär behauptete. Eine stille Wehmut bleibt trotz alledem – es ist eine untergegangene Welt, eine Welt der Enge, der abgelegenen Dörfern, der Volksfrömmigkeit, der schlechten Straßen, aber auch einer Landschaft, die sich in sinnlich eindrucksvollen Bildern auffaltet.
Der Roman ist im Rhein-Mosel-Verlag in der Reihe ‚Schrittmacher‘ 2008 erschienen.
Monika-Katharina Böss
Vorsitzende des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Rheinland-Pfalz e.V.