Rezension „Die Welt zerschlagen!“ von Norbert Küpper, Kunsthistoriker und Künstler Köln, 26. Februar 2016
Buchempfehlung: „Die Welt zerschlagen! – Die Geschichte der Dada-Künstlerin Angelika Hoerle“ von Ute Bales –
Rezension von Norbert Küpper M.A.
Mit ihrem neuem Roman „Die Welt zerschlagen! – Die Geschichte der Dada-Künstlerin
Angelika Hoerle“ setzt die in der Eifel geborene und in Freiburg lebende Autorin Ute Bales das
von ihr geschaffene Genre fort, mit dem sie den Leser die Kunstgeschichte des frühen 20.
Jahrhunderts durch eine lebendige, im Präsens geschriebenen Erzählweise nacherleben lässt.
Nach dem eigenbrötlerischen Eifler Maler Pitt Kreuzberg („Unter dem großen Himmel“ 2012)
und der Düsseldorfer Kunstförderin Johanna Ey („Großes Ey“ 2014) steht im dem aktuellen
Roman die Kölner Dada-Künstlerin Angelika Hoerle im Mittelpunkt.
Während man mit dem Namen Hoerle direkt an den Kölner Progressiven Heinrich Hoerle denkt,
ist dessen Ehefrau Angelika selbst Kunstkennern eher unbekannt. Es sind lediglich 35 Werke
von ihrem Schaffen erhalten. Sie wurde 1899 in Köln als Tochter der Tischlerfamilie Fick
geboren und verstarb schon im Alter von 23 Jahren an Tuberkulose. Durch ihren Bruder Willy
kam sie sehr früh mit der Kölner Kunstszene in Berührung. Ohne die Möglichkeit einer
akademischen Ausbildung eignete sich Angelika Hoerle die künstlerischen Fähigkeiten
autodidaktisch und im Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen an. Gegen den Willen der
Familie heiratete sie Heinrich Hoerle und entschied sich für ein Künstlerdasein, weswegen sie
vom Vater verstoßen wurde. Kurz vor ihrem Tod wurde sie von Heinrich Hoerle verlassen.
Zuvor stand die Ehe durch unterschiedliche künstlerische Auffassungen seit längerem unter
keinem guten Stern.
Durch das kurze Leben von Angelika Hoerle konzentriert sich der Roman von Ute Bales
zwangsläufig auf die Zeit der Dada-Szene in Köln. Ute Bales schafft es hervorragend die
aufgewühlte Zerrissenheit der Künstler durch die Erlebnisse des 1. Weltkrieges
herüberzubringen. Viele Künstler empfanden die Notwendigkeit sich gegen die herrschenden
Verhältnisse, die zu diesem Krieg geführt hatten, aufzulehnen und ihre politischen Ideen in der
Kunst zum Ausdruck zu bringen. Über die geeignete Form wurde heftig diskutiert.
In Mitten dieser Kölner Kunstszene, zu denen Max Ernst oder Johannes Theodor Baargeld
zählten, bewegte sich Angelika Hoerle sehr aktiv. Sie griff die Ideen ihren Dada-Kollegen und –
kolleginnen auf und bringt immer neue Akzente hinzu. In ihren letzten Zeichnungen von 1922
deutet sich schon der Surrealismus an, ohne dass dessen Manifest schon verfasst war. Eine
amerikanische Sammlerin bezeichnete sie als den „Kometen der Kölner Dada-Szene“.
Max Ernst hatte nicht nur einen Blick auf Angelika Hoerle als Frau, sondern er erkennt auch die
hohe Qualität ihrer Arbeiten. Dies verschweigt Max Ernst allerdings und greift die Anregungen
für sein eigenes Schaffen auf. Hiermit greift Ute Bales ein weiteres Phänomen der Dada-Zeit auf.
In diesem Kreis waren zahlreiche Frauen erfolgreich tätig. Heute sind sie kaum bekannt. Dies lag
daran, dass sie von ihren männlichen Kollegen argwöhnisch auf Seite gedrängt wurden.
Der viel zögerlichere Heinrich Hoerle kam mit dem künstlerischen Erfolg seiner Frau ebenfalls
nicht zurecht und steigerte sich in eine zerstörerische Eifersucht. Der Romantitel „Die Welt
zerschlagen“ ist sogar ein Zitat von Heinrich Hoerle, dass er kurz nach Kriegsende äußerte. In
seiner Kunst war er zu dieser Zeit jedoch zu unentschieden. Das Zitat wird aus dem Mund von
Angelika Hoerle am Ende der Ehe zu einer Schlüsselstelle des Romans. Ein sehr gelungener
schriftstellerischer Gedanke für ein Buch, das die unruhige wirtschaftliche und politische Lage
mit einer Kunstszene zwischen Solidarität, Eifersüchteleien und Zerstrittenheit in Verbindung
setzt und gegenwärtig macht. Ebenso schafft es Bales erneut eine Verbindung zu dem
Vorgänger-Roman „Großes Ey“ herzustellen, da die Künstler zu der Düsseldorfer Galeristin
Kontakt aufnehmen. So geben die drei erwähnten Romane zusammen einen spannenden
Überblick über die rheinische Kunstszene des frühen 20. Jahrhunderts. Im Anhang findet sich
wieder ein Quellen- und Literaturverzeichnis, das nicht nur die genauen Recherchen der Autorin
belegt, sondern auch zum Weiterforschen anregt.
Norbert Küpper, Künstler und Kunsthistoriker MA
http://www.atelier-knorr-küpper.de